Lorenzo Insigne beim SSC Neapel: Im Traum

Lorenzo Insigne schloss sich dem SSC Neapel im Alter von 15 Jahren an
© getty

Der SSC Neapel hat in dieser Serie-A-Saison noch keinen einzigen Punkt abgegeben und trifft am Samstag (20.45 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) auf den ersten Verfolger Inter Mailand. Napolis umworbener Linksaußen Lorenzo Insigne ist mittlerweile 26 und arbeitet an seinem Legenden-Status. Bei dem Verein, von dem er immer träumte.

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Als Lorenzo Insigne im April seinen Vertrag beim SSC Neapel vorzeitig bis 2022 verlängerte, erzählte er natürlich, wie glücklich er darüber sei und was er mit dem Klub noch alles erreichen wolle. Und dann äußerte er auch einen konkreten Wunsch: "Ich hoffe, dass ich in fünf Jahren wieder hier sein werde, um einen neuen Vertrag zu unterschreiben." Insigne spielt nicht nur für den SSC Neapel, er lebt ihn auch.

In dieser Saison macht ihm das wohl so viel Spaß wie nie zuvor. Die bisherigen acht Ligaspiele gewann Napoli allesamt (als einziger Klub der großen europäischen Ligen) und erzielte dabei 26 Treffer. Mit seinen sieben Scorerpunkten (drei Treffer, vier Assists) hat Insigne großen Anteil daran. Er ist das linke Element des aktuell wohl eingespieltesten Angriffs-Trios Italiens, wenn nicht sogar Europas: In der Mitte stürmt Dries Mertens (neun Scorerpunkte), rechts Jose Callejon (sieben).

Insigne überzeugt vor allem mit seiner schier unerschöpflichen Spielfreude, seinem steten Mut und seinen atemberaubenden Dribblings. Gerne bietet er sich im Mittelfeld an, lässt den Ball klatschen und startet dann in die Tiefe. Gerne zieht er von der linken Seite in die Mitte und visiert dann das lange Eck an. Gerne sorgt er mit präzisen Standards für Gefahr. "Insigne ist das größte Talent des italienischen Fußballs seit zehn Jahren", sagte neulich Ex-Nationaltrainer Arrigo Sacchi: "Für Barcelona wäre er der ideale Ersatz für Neymar."

Insigne wurde im Sommer sowohl bei Barca als auch beim FC Liverpool als Neuzugang gehandelt. Die beiden Weltklubs trauten ihm also wohl zu, abgewanderte oder abwanderungswillige Stars wie Neymar oder Philippe Coutinho zu ersetzen. Spätestens durch diese Gerüchte erfuhr Insigne europaweit die Wertschätzung, die seine Leistungen der vergangenen Monate ohnehin rechtfertigen. "Ihr Interesse ehrt mich natürlich", sagte Insigne dazu und erklärte: "Klar, jeder träumt von Klubs wie Barcelona - aber ich träume von Napoli. Ich habe schon immer davon geträumt, in diesem Trikot hier zu spielen." Dieser Traum ist die Geschichte seines Lebens.

Insigne, Kind und Hoffnungsträger

Insigne stammt aus der Gemeinde Frattamaggiore am nördlichen Stadtrand Neapels. Einer schwierige Gegend, eine, in der die Mafia-Organisation Camorra wohl ähnlich viele Unterstützer hat wie der SSC Neapel. Wie alle fußballbegeisterten Kinder und Jugendliche der Region träumte einst auch Insigne davon, irgendwann mal das hellblaue Trikot tragen zu dürfen. Mit 15 wechselte er in Napolis Jugendabteilung und erfüllte sich diesen Traum, mit 18 lief er erstmals in der Serie A auf.

Doch bis zum zweiten Einsatz musste Insigne über zweieinhalb Jahre warten. Auf Leihbasis spielte er in der zweiten und dritten Liga, erst für Cavese dann unter Zdenek Zeman für Foggia und Pescara. Einem Trainer, der den bedingungslosen Offensiv-Fußball im 4-3-3 predigt wie kaum ein Zweiter. Seite an Seite mit Ciro Immobile und Marco Verratti schoss Insigne Pescara in die Serie A, er selbst sammelte 32 Scorerpunkte.

Als Insigne 21 war, kehrte er zurück in seinen Traum. Heim nach Neapel, heim zu seiner Familie. "Er wird wieder bei uns wohnen. Endlich ist sein Platz am Tisch nicht mehr leer", sagte seine Mutter Patrizia. "Abends verwandeln wir das Wohnzimmer in einen Schlafsaal und bauen die Betten für die Kinder auf." Insigne, das Kind aus Frattamaggiore. Aber auch: Insigne, der Hoffnungsträger von ganz Neapel. Es war eine unglaubliche Bürde, die Insigne bei seiner Rückkehr auferlegt wurde. Eine, an der junge Fußballer zerbrechen können.

Insigne zerbrach aber nicht, sondern entwickelte sich in den folgenden Spielzeiten vom Joker zum Stammspieler. Prägend war für ihn vor allem die Zeit unter Trainer Rafael Benitez, der dem begnadeten Angreifer auch effizientes Defensivverhalten beibrachte. "Das war entscheidend für meine jetzige Rolle im Team", sagt Insigne.

Eine Ansage vom Präsidenten, ein Foto mit Maradona

Nun spielt Insigne seine sechste Saison für die Profimannschaft von Napoli und ist als einziger gebürtiger Neapolitaner im Kader mehr denn je die große Identifikationsfigur des Vereins. "Lorenzo steht für uns, unser Team und die Stabilität des neapolitanischen Projekts", sagte sein Präsident Aurelio De Laurentiis bei dessen Vertragsverlängerung und verkündete: "Insigne wird Neapels Legende werden."

Ein Status, den bisher ausschließlich Diego Armando Maradona innehat. Als er 1990 den bis heute letzten Meistertitel nach Neapel holte, war Insigne noch nicht geboren. An seiner Verehrung für Maradona ändert das genau wie bei allen anderen Neapolitanern jedoch nichts. "Dass ich ihn vor ein paar Monaten persönlich treffen durfte, war die Erfüllung eines Traums", erzählte Insigne neulich. Er habe sogar ein Foto mit ihm gemacht, sagte er stolz.

Was Maradona Insigne dagegen voraus hat, sind Titel. Nur einen hat Insigne bisher mit Napoli gewonnen, 2014 den nationalen Pokal. In der Liga war Juventus Turin stets zu gut. "Es nervt mich, wenn immer alle sagen, wir spielen so gut", sagt Insigne: "Ich will endlich auch wichtige Titel gewinnen."

Am Samstag trifft Napoli auf Inter Mailand, den aktuell schärfsten Verfolger. Als Jugendlicher wäre Insigne dort fast in der Nachwuchs-Abteilung gelandet, "aber Inter wollte mich wegen meiner Körpergröße dann doch nicht haben". Insigne ist nämlich lediglich 1,63 Meter groß. 1,63 Meter, die ihn letztlich statt zu Inter zu Napoli brachten. "Dumm gelaufen für sie", sagt Insigne: "Aber ich lebe jetzt bei Napoli meinen Traum."

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